Deutschunterricht: Probleme mit der Aussprache?

Dieser Artikel ist der zweite aus der Reihe Anleitung und Anregungen für den Deutschunterricht mit Geflüchteten – von Babbel.
Frau beim Sprechen zum Thema Aussprache neuer Sprachen

Die Artikel stellen Methoden für Lehrende vor, unabhängig von pädagogischen Vorerfahrungen. Die Artikelreihe fasst die Erfahrungen, die wir im Rahmen unserer Workshops für ehrenamtliche Lehrende gesammelt haben, zusammen.

Fast jede Person, die eine neue Sprache lernt, kennt das Problem: Wörter in einer neuen Sprache richtig auszusprechen ist anfangs meistens schwierig – noch dazu, wenn die Sprache unbekannte Schriftzeichen hat.

Leider ist es nicht damit getan, die Schrift einer fremden Sprache zu beherrschen und irgendwie abzulesen. Damit wir uns verständigen können, ist eines ganz entscheidend: die Aussprache!

Warum ist Aussprache wichtig?

Wenn wir Dinge falsch aussprechen, wird Kommunikation unmöglich, weil unser Gegenüber einfach nicht versteht, was wir sagen. Gleichzeitig sollte man aber nicht vergessen: Die Aussprache muss nur dann unbedingt verbessert werden, wenn sie den Sinn eines Wortes verfälscht oder das Wort unverständlich wird.

Wenn die Aussprache von der gebräuchlichen abweicht, jedoch verständlich bleibt, ist das kein so großes Problem. Eine deutliche Aussprache ist Voraussetzung für die Kommunikation in einer Fremdsprache. Aus diesem Grund dürfen Ausspracheübungen in einem Sprachkurs nicht fehlen.

Da Aussprachetraining beim Sprachenlernen nicht zu kurz kommen sollte, widmen wir uns diesem Thema in diesem Artikel. Dabei möchten wir kurz auf die Fragen eingehen, was Aussprache eigentlich ist, wie Ausspracheübungen in den Unterricht eingebaut werden können und welche Tipps und Tricks es rund um den Ausspracheunterricht gibt.

Was bedeutet Aussprache eigentlich?

Oachkatzlschwoaf – Ist das Deutsch?

Ein Paradebeispiel dafür, wie Wörter unterschiedlich ausgesprochen werden, ist die Art und Weise, wie man in Österreich und Bayern das Wort Eichkätzchenschweif aussprechen: Oachkatzlschwoaf! Zugegeben, das ist ein übertriebenes Beispiel für den Unterschied zwischen Schriftsprache und Aussprache. Wie kommt man dazu, „Eichkätzchenschweif“ zu lesen und „Oachkatzlschwoaf“ zu sagen? Wie kann sich die Aussprache so weit von der Schriftsprache entfernen?

Bei Dialekten können sich nicht nur die Lautebene (Phonologie) und die Wortbeugung (Morphologie) verändern, sondern auch der Wortschatz (Lexik), Satzbau (Syntax) und Idiomatik.

Aussprache wird beeinflusst von der richtigen Betonung, Akzentuierung, Intonation, vom Rhythmus, von Pausen, Lauten, Buchstaben und Silben. Aussprache ist also die tatsächliche Lautgebung von Wörtern der gesprochenen Sprache im Unterschied zum Schriftbild.

Das phonetische Alphabet

Keine der geschichtlich gewachsenen Schriften stimmen zu 100 Prozent mit der Aussprache überein. Zum Erlernen einer Fremdsprache kann darum das Internationale Phonetische Alphabet hilfreich sein. Das ist auch speziell für Lehrpersonen interessant, weil diese dadurch die Unterschiede in der Aussprache auch schriftlich darstellen und so den Lernenden verdeutlichen können. Selbst wenn man also die Schrift in einer Sprache lesen kann, garantiert das nicht, dass man das Geschriebene richtig ausspricht, also das Gelesene in den richtigen Lauten formuliert.

Das Internationale Phonetische Alphabet (IPA) verdeutlicht sehr genau, wie die Schriftsprache ausgesprochen wird. Obwohl das IPA sehr hilfreich ist, wissen viele Menschen nicht, wie es anzuwenden ist. Das IPA ist ein System, das die gesprochene Sprache standardisiert. Diese Standardisierung können wir in Wörterbüchern finden. Sie steht nach jedem Wort in Klammern. So kann jede Person unabhängig davon, ob er/sie das Wort schon einmal gehört hat, dieses richtig aussprechen. In unseren Workshops haben wir festgestellt, dass Geflüchtete durch das IPA Laute der deutschen Sprache mit Lauten in ihrer Muttersprache besser verbinden und unterscheiden können.

Ausspracheübungen – Aufwärmen für den Unterricht

Beim Sport sind Kaltstarts gefährlich und Aufwärmübungen oft die Voraussetzung für ein gutes Trainingsergebnis. So ähnlich ist es auch im Unterricht: Ausspracheübungen eignen sich dabei besonders als Aufwärmübung im Unterricht oder auch als Pause zwischen zwei Lernblöcken. Man sollte diesem Thema allerdings keine ganze Unterrichtseinheit widmen. Ausspracheübungen sind sehr anstrengend, selbst wenn es nicht so aussieht.

Man kann zwar die „Theorie“, also die korrekte Artikulation eines Lautes, allein durch eine Übung lernen, aber es braucht Zeit, bis man es verinnerlicht hat und es natürlich klingt. Ob man einen Laut richtig artikulieren kann, hängt, ähnlich wie bei Grammatik, nicht von der Dauer der Übung ab, sondern davon, ob man ihn regelmäßig und oft genug wiederholt.

Aussprache in der Gruppe

Lernende reagieren unterschiedlich auf Ausspracheübungen. Manche Lernende sind eher zurückhaltend. Hier gilt es, diese miteinzubeziehen und sie besonders zum Lernen zu animieren. Damit dies gelingt, ist es eine gute Idee, Ausspracheübungen zuerst gemeinsam im Chor in der großen Runde durchzuführen. Dies erzeugt eine sehr gute Gruppendynamik und man vermeidet, dass einzelne Lernende sich bloßgestellt fühlen. Merkt man dabei, dass die Übung jemandem besonders schwerfällt, sollte man lieber privat darüber sprechen, zum Beispiel nach dem Unterricht.

Regelmäßige Wiederholung

Wie bereits erwähnt, ist regelmäßige Wiederholung das A und O für eine korrekte Aussprache. Daher sollte man nicht erwarten, dass eine einzige Übung dafür ausreichend ist. Auch sollte die Lehrperson darauf achten, die Korrektur im Unterricht nicht zu streng auszudrücken. Dies kann andernfalls bei Lernenden zu Blockaden führen. Bei einer Ausspracheübung sollte man deswegen nicht so sehr auf Korrektur setzen, sondern eher Ausspracheregeln erklären und den Lernenden dazu animieren, kritisch und bewusst auf die eigene Aussprache zu achten.

Aussprache und Grammatik nehmen verschiedene Fähigkeiten in Anspruch und dementsprechend unterschiedlich beigebracht und geübt werden. Vokabellernen trainiert vor allem das Gedächtnis, während Ausspracheübungen hauptsächlich Geschick bei der Artikulation erfordern. Dabei wird nicht so sehr das Gehirn, sondern eher die Muskeln im Mundbereich gefordert.

Akzentfreie Aussprache?

Es ist bei den Ausspracheübungen sowohl für die Lehrperson als auch für die Lernenden wichtig, eine korrekte nicht mit einer akzentfreien Aussprache zu verwechseln. Eine absolut akzentfreie Aussprache können nur die allerwenigsten erreichen und diese ist nicht notwendig, um sich in einer Fremdsprache zu verständigen. Ein:e Lernende:r kann sich fließend über komplexe Themen ausdrücken und trotzdem einen Akzent haben.

Vor jeder Ausspracheübung und vor allem vor jeder Korrektur ist es deswegen sinnvoll, sich als Lehrender die Frage zu stellen, ob sie wirklich notwendig ist. Natürlich möchten viele Lernende sich verbessern, obwohl sie vielleicht bereits eine zufriedenstellende Aussprache haben. Man kann und soll sie dabei unterstützen, aber gleichzeitig allen klar machen, was wirklich bedeutend ist und was nur eine zusätzliche Übung ist. Das ist sehr wichtig, damit diejenigen, die noch nicht so fortgeschritten sind, nicht das Gefühl haben, dass ihre Aussprache mangelhaft ist.

Übungen zu bestimmten Grammatikthemen

Eine korrekte Aussprache kann man auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Übungsformen lernen. In der deutschen Sprache stellen Vokale, Konsonanten, sehr lange zusammengesetzte Substantive sowie die Aussprache von „ch“ und „sch“ vor besondere Herausforderungen. Es folgen einige Ideen, wie Übungen zur Aussprache im Unterricht gestaltet werden können. Sie sind am besten praktisch zu erklären und mit Gestik und Mimik zu verdeutlichen.

Vokale

Nicht nur im Deutschen, sondern auch in vielen anderen Sprachen gibt es einen Unterschied zwischen kurzen und langen Vokalen.

Beispiel: Das „i“ in „bitte“ wird kurz ausgesprochen. Viele, die Deutsch lernen, sagen am Anfang „bieeeeette“ dabei ziehen sie das „i“ in die Länge, obwohl es eigentlich kurz ausgesprochen wird.

Lehrmethode: Durch Visualisierung kann die Lehrperson den Lernenden zeigen, ob man Vokale in einem Wort lang oder kurz ausspricht. Beim Wort „bitte“ würde die Lehrperson beispielsweise keine dehnende Bewegung machen, sondern würde mit seinen Händen die kurze und abgehackte Aussprache des „i“ in „bitte“ verdeutlichen.

Konsonanten

Beispiel: „ch“ nach „a, o, u“

Aussprache: „ch“ wird von a, o, u wie ein [χ] ausgesprochen, wie in „Dach, doch, Buch“

Sehr lange Wörter/Silben

Die deutsche Sprache ist bekannt für ihre vielen zusammengesetzten Substantive, die auch gerne richtig lang werden können: Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung. Zugeben, so lange zusammengesetzte Wörter sind selten. Damit diese dennoch verständlich sind, ist eine korrekte Aussprache von besonderer Bedeutung. Dafür gibt es einen Trick.

Beispiel: „Staatsangehörigkeit“

Lehrmethode: Die Silben können zur richtigen Betonung von hinten getrennt werden, dabei muss mit der letzten Silbe begonnen werden. Auf diese Weise werden die Wörter automatisch richtig betont.

In der Gruppe kann gemeinsam oder einzeln begonnen werden, jedes Wort von hinten getrennt nach Silben zu sagen. Hier am Beispiel „Staatsangehörigkeit“:

  • keit
  • igkeit
  • hörigkeit
  • gehörigkeit
  • angehörigkeit
  • Staatsangehörigkeit

Wörter rufen

Ein weiteres auflockerndes Element im Unterricht, mit der die richtige Betonung von Wörtern geübt werden kann, ist das Rufen. Wird von einem Lernenden beispielsweise „Sofa“ durch den Raum gerufen, liegt die Betonung automatisch auf dem „o“. Genauso wie bei „Computer“ auf dem „u“.

Satzmelodie

Auch die Sprachmelodie zu beachten, kann im Allgemeinen zu einer besseren Verständigung führen, denn die arabische Sprache beispielsweise unterscheidet sich in der Sprachmelodie von der deutschen. Deutsch wird von Menschen aus anderen Ländern bisweilen als monoton beschrieben. Spricht zum Beispiel jemand, dessen Erstsprache Portugiesisch oder Spanisch ist, Deutsch, tut er dies meist in der Sprachmelodie seiner Muttersprache.

Beginne deine Sprachlernreise.
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