Public Viewing, Shootings und andere Missverständnisse

Britische Kinder lernen in der Schule üblicherweise Französisch, Spanisch oder Deutsch. Ich liebte es richtiggehend, Deutsch zu lernen.

So sehr, dass ich Deutsch bis zu den A-Levels (ungefähr gleichbedeutend mit dem deutschen Abitur) behielt und sogar später an der Uni studierte. Endlich konnte ich Schiller, Goethe und Brecht im O-Ton lesen. Stellt euch also meine Enttäuschung vor, als ich feststellte, dass mir die Sprache, die man tatsächlich in Deutschland sprach, nur allzu vertraut war… Einen Double Whopper mit lecker Bacon und Cheddar Cheese, bitte!

Trotzdem – irgendwas stimmte da nicht. Ich verstand zwar tendenziell schon, was mit diesen „denglischen“ Ausdrücken gemeint war, die auf mittlerer Führungsebene oder bei Persönlichkeiten wie Detlef D! Soost so beliebt waren. Ihre deutschen Entsprechungen schienen jedoch leichter verständlich zu sein. Was war hier los? Wie sich herausstellte, waren diese Wörter fast immer Pseudo- bzw. Scheinanglizismen. Oder einfach schlechte Übersetzungen.

Alle Deutschen wissen mittlerweile, dass das Handy nicht dem englischen mobile phone entspricht (wobei weitaus weniger wissen, dass handy “praktisch” bedeutet). Aber hättet ihr gedacht, dass ihr, wenn ihr irgendwo im Vereinigten Königreich den besagten Doppel Whopper und dazu eine Portion Country Potatoes bestelltet, nur verständnislose Blicke ernten würdet? Weil die Dinger bei uns nämlich potato wedges, also Kartoffspalten, heißen. Mir ist der Kiefer heruntergeklappt, als ein Englisch sprechender Freund mich zum Fußballschauen beim Public Viewing einlud, denn ich nahm an, dass jemand gestorben sei und dieser Freund überhaupt keinen Anstand besäße: Bei uns schaut man beim public viewing kein Fußball, sondern auf einen aufgebahrten Leichnam.

Diese adoptierten Wörter haben im Englischen fast immer eine andere Bedeutung. Beispiel gefällig? Kein Problem, es gibt etliche… Bei einer Flugshow bewundert ihr den Looping, den das Flugzeug in den Himmel zeichnet, dabei ist es in Wirklichkeit ein loop-the-loop. Im englischen Original solltet ihr den IT-Mann lieber nicht darum bitten, den Beamer für eure PowerPoint-Präsentation einzurichten (fragt stattdessen nach einem projector).

Und es hat wirklich keinen Sinn, jemanden zu einem Wellness-Wochenende überreden zu wollen (wenn überhaupt, dann zu einem Aufenthalt in einem spa). Englischsprachige Menschen kichern vielleicht über deutsche Drive-Ins: Wir fahren nämlich bei diesen drive-through Restaurants durch, bzw. dran vorbei, und nicht rein. Bei eleganteren Anlässen sind viele Menschen davon überzeugt, einen Smoking (the smoking = „das Rauchen“) getragen zu haben, wo es sich doch vielmehr um einen tux, tuxedo oder ein dinner jacket handelte.

Auch wenn sie sich in der Vergangenheit nicht immer ganz gesetzestreu gezeigt hat, war Kate Moss doch sicher niemals an einem shooting beteiligt, sonst hätte die Polizei sicher härter durchgegriffen – sie hat also nicht unzählige Schießereien mitgemacht, sondern photo shoots.

Disziplinierte Menschen gehen bei uns vielleicht ins gym, aber ganz sicher nicht ins Fitness Studio. Und, ganz wichtig: Sagt eurem Hochzeits-DJ nicht, er solle Evergreens auflegen, da er in dem Fall nämlich denken wird, dass ihr entweder von Weihnachtsbäumen (oder irgendwas anderem Immergrünen) oder einem ganz üblen Song von Westlife sprecht. Versucht es lieber mit ein paar golden oldies. Wo wir gerade bei „Oldies“ sind: Es ist nicht angemessen, den oldtimer zu entführen und mit ihm ungefragt eine Runde zu drehen. Denn bei uns ist der old-timer ein alter Hase, der vermutlich etwas dagegen einzuwenden hätte. Wenn schon, dann schlagt höflich das classic, vintage oder heritage Auto für eure Spritztour vor.

Wer jetzt annehmen sollte, dass nur die Deutschen den Fauxpas begingen und sich Wörter falsch borgten, liegt daneben. Wir Briten und unsere amerikanischen Cousins bestellen auf dem Oktoberfest ungehemmt ein „Stein“ Bier und bekommen, wenn wir Glück haben, einen Maßkrug vorgesetzt. Das Glas „Hock“ ist für Wein reserviert, den wir so nennen, weil er aus Hochheim am Main kommt (oder kommen könnte). In ganz anderem Kontext habt ihr vielleicht mal vom “Strafing“ der Air Force gehört, der Beschussnahme des Feindes aus der Luft. Wir tun es also alle – und nehmen uns nichts.

Robert Compton lebt und arbeitet seit 2009 als Übersetzer und Lektor in Berlin.

Einige „typisch Deutsche“ Fehler im Englischen werden auch im Englisch & Denglisch-Kurs behandelt. Viel Spaß und viel Erfolg!

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